Von der Stelle aus, an der Sie sich jetzt befinden, hat man einen weiten Blick über das Thorn-Eberswalder Urstromtal nahe seiner Einmündung in das Odertal.
Wie hat sich diese Landschaft entwickelt? Um dies zu verstehen, müssen Sie mithilfe Ihrer Vorstellungskraft mehrere zehntausend Jahre zurückgehen.
Es ist Pleistozän, ein Zeitabschnitt in der Erdgeschichte, der zusammen mit dem gegenwärtig noch andauernden Holozän den Zeitraum bildet, der Quartär genannt wird. Das Pleistozän zeichnete sich durch häufige und starke Klimaveränderungen aus. Während der Abkühlungsperioden, der sog. Kaltzeiten (Glaziale), entwickelte sich in Skandinavien mehrmals das Inlandeis, das sich unter günstigen Bedingungen schnell ausbreitete und einen großen Teil Europas bedeckte. Als sich das Klima zwischenzeitlich erwärmte, d.h. während der sog. Warmzeiten (Interglaziale), verringerte das Inlandeis seine Reichweite oder taute sogar ganz auf.
Vor etwa 25.000 Jahren kühlte sich das Klima ein weiteres und gleichzeitig letztes Mal im Pleistozän stark und schnell ab. Die Winter wurden länger, frostiger und schneereicher, und die Sommer kürzer und kälter. Riesige Schneemassen, die sich in den aufeinanderfolgenden Wintern angesammelt hatten, konnten in den kurzen Sommermonaten nicht wegschmelzen und bedeckten schließlich mit einer dicken Schicht ganz Skandinavien. Mit der Zeit wurde der tiefer abgelagerte Schnee zu Gletschereis. Durch die kalten Winter wurde der Gletscher immer dicker und bedeckte eine immer größere Fläche. Innerhalb von etwa 5.000 Jahren war er bis nach Nordpolen vorgedrungen und bedeckte etwa 30% der heutigen Landesfläche mit einer mehrere hundert Meter dicken Eisschicht. Erst vor etwa 20.000 Jahren erwärmte sich das Klima, und das Inlandeis begann langsam zu schmelzen. Vor etwa 17.000 Jahren zog es sich aus dem Gebiet der heutigen Warthemündung zurück.
Ähnlich wie heute gab es im Pleistozän zahlreiche Flüsse, die aus dem Süden (aus Gebirgs- und Hochlandregionen) in den Norden flossen. Unterwegs trafen sie auf die Stirnseite des Inlandeises. In seinem Vorfeld staute sich also Wasser der Flüsse, die aus unvereisten Gebieten im Süden kamen, und Wasser, das aus dem Norden, vom schmelzenden Gletscher kam, auf. Die aufgestauten riesigen Wassermassen suchten nach einem Abflussweg und fanden ihn in Richtung Westen. Sie flossen entlang der Stirnseite des Inlandeises durch das heutige Deutschland, wo sie schließlich in die Nordsee mündeten. Unterwegs schafften sie ein sehr breites Tal mit ebener Talsohle – das heutige Thorn-Eberswalder Urstromtal.
Die Urstromtäler entwickelten sich parallel zur Stirnseite des Inlandeises. Auf der Karte ist der Verlauf von einigen während verschiedener Kaltzeiten entstandenen Urstromtälern in Polen und Deutschland abgebildet. Als eines der letzten, während der Weichsel-Kaltzeit, entstand das 4 bis 35 km breite und etwa 450 km lange Thorn-Eberswalder Urstromtal (Karte von Sławomir Lamparski unter inhaltlicher Beratung von Prof. Leszek Marks)
Sehen Sie sich um. Sie befinden sich am südlichen Hang des Urstromtals, auf der sog. Mittelterrasse. Vor Ihnen erstreckt sich ein flaches Gebiet des urbar gemachten Warthetals mit Wiesen, Weiden und Äckern, die auf einer Höhe von 11-12 m ü.d.M. gelegen sind. Weiter hinten ist die auf einem Deich gebaute Straße von Słońsk nach Kostrzyn zu sehen, die die südliche Grenze des heutigen Überschwemmungsgebietes der Warthe bildet.
Die Hinterlassenschaften der Eiszeit sind hier, trotz der durch den Menschen verursachten Veränderungen in der Landschaft, noch gut sichtbar. Schaut man weiter nach rechts, in nordöstliche Richtung, so kann man bei gutem Wetter den nördlichen Rand des Urstromtals sehen, der etwa 30-50 m ü.d.M., und an einigen Stellen sogar über 60 m ü.d.M., liegt. Bei den zwei höchsten sichtbaren Erhebungen handelt es sich um sog. Kames, d.h. aus Sanden und Kiesen, die sich über viele Jahre hinweg Schicht für Schicht in den sog. Eisstauseen oder zwischen den Toteisblöcken abgelagert haben, entstandene Hügel. Ihre Hänge sind recht steil, da sie nach dem Auftauen der sie ursprünglich unterstützenden Eiswände entstanden sind, während die Oberseite, einst der Grund eines Eisstausees, flach ist. Um die Kames auf der anderen Seite der Warthe besser zu sehen und sich ein Schema, das ihre Entstehung veranschaulicht, anzuschauen, lohnt es sich, den Aussichtsturm auf der Binnendüne „Czarnowska Górka“ zu besuchen.